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Zeitzeuge Jercy Grywacz
Wie ein 15jähriger Junge Polen zu retten versuchte: Widerstand im Dritten Reich
„Ich kämpfe für eine bessere Welt, für Freiheit. Ich bin nicht naiv, es waren schlechte Menschen, es sind schlechte Menschen und es werden immer schlechte Menschen sein, die verantwortlich sind für Kriege in der Welt, aber ich möchte kein schlechter Mensch sein,“ sagt Prof. Jerzy Grzywacz auf die Frage eines Schülers, warum er sich denn als Zeitzeuge zur Verfügung stellt – eine bemerkenswerte Aussage für jemanden, der in seiner Jugend in Polen vermutlich durch die Hölle gegangen ist und nun schon seit etwa 15 Jahren aus seiner Heimat nach Deutschland kommt, um hier vor Jugendlichen über seine Erfahrungen zu berichten, in einem Alter, in dem die meisten vermutlich nur noch ihren Lebensabend genießen wollen.
Geboren 1929, erlebte Jerzy Grywacz die Besetzung und Aufteilung Polens in zwei Hälften zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion mit – ein Vorgang, der in Polen anders als in deutschen Geschichtsbüchern nicht als Hitler-Stalin-Pakt, sondern als Ribbentrop–Molotow-Pakt bekannt ist. Damit übernahmen zwei Nachbarn das Kommando in Polen, die bereits früher zur diesbezüglich leidvollen polnischen Geschichte beigetragen hatten. Man merkt bei dieser Erzählung, die zugleich den Anfang des Vortrags am 12. Juni 2018 markiert, dass Jerzy Grywacz die polnische Geschichte am Herzen liegt. Seit 966 urkundlich erwähnt und ein Teil Westeuropas, wurde diese sogenannte 1. Republik mit einem König an der Spitze, aber durch ein Parlament kontrolliert, 1795 zwischen Russland, Österreich und Preußen aufgeteilt. Die folgenden 123 Jahre waren durch viele Aufstände der polnischen Bevölkerung geprägt und stehen sicherlich sinnbildlich für den Willen der Polen, für ihre Freiheit zu kämpfen. Dieser Wille mündete letzten Endes im Warschauer Aufstand 1944, der sich sowohl gegen die deutsche als auch die sowjetische Besatzung richtete. Weshalb?
Bedingt durch den Hitler-Stalin-Pakt vom August 1939 marschierte am 1. September die deutsche Wehrmacht im Westen Polens ein, während keine drei Wochen später die Sowjetarmee im Osten die Kontrolle übernahm. Das Land Polen existierte offiziell nicht mehr. Welche Folgen hatte dies für die Bevölkerung? Auf deutscher Seite wurden sie unterdrückt und wirtschaftlich ausgebeutet, die polnische Sprache verboten, ausgenommen Polen im Generalgouvernement mit dem Zentrum Warschau. Jerzy Grywacz und seinesgleichen mussten in einer deutschen Schule Deutsch lernen und er lernte zugleich Deutsch zu hassen – denn wer beim Polnisch sprechen erwischt wurde, bekam den Stock zu spüren. Vergessen hat er die deutsche Sprache übrigens nicht. Im Gegenteil brilliert er beinahe vor den Schülern mit seinen flüssig formulierten Sätzen, die nur dann etwas stocken, wenn ihm ein bestimmtes Wort nicht einfällt.
Neben dieser Schikane bezüglich der polnischen Sprache begannen bereits im Oktober 1939 die ersten Umsiedlungen. Den betroffenen Polen blieb eine halbe Stunde Zeit, ihre Wohnung zu verlassen. Diese wurden dann von Deutschen aus dem Baltikum übernommen. Am Ende mussten im deutschen Besatzungsgebiet 1,2 Millionen Polen ihr Zuhause verlassen, im russischen Teil sogar 1,8 Millionen, die bis nach Sibirien verschickt wurden. „Die Umsiedlungen waren nicht das Schlimmste,“ führt Jerzy Grywacz aus, „das Schlimmste waren die Erschießungen durch die Gestapo, die Geheime Staatspolizei der Nazis.“ Diese richteten sich hauptsächlich gegen die intellektuelle Klasse in Polen, getreu dem Befehl Himmlers, Chef der SS, dass ein Pole maximal die ersten vier Schulklassen zu durchlaufen habe. „Selbstverständlich entstand hieraus Widerstand,“ fährt der Zeitzeuge fort.
Bereits im September 1939 gründeten sich zwei illegale Organisationen. Die erste war militärisch, aus der schließlich die sog. Heimatarmee (aus Freiwilligen bestehend) hervorging. Die zweite Organisation entstand aus den Reihen der Pfadfinder. Sie gab sich den Namen Szare Szeregi: Graue Reihen, kurz SS. Ein bewusst gewählter Name, denn wenn sie verbotene Schriften unters polnische Volk brachten, erkannten die deutschen Besatzer nur die Buchstaben SS und wussten nicht sofort, worum es eigentlich ging. Die Grauen Reihen unterteilten sich in drei Gruppen: die 18 bis 24jährigen kämpften mit Waffen, die 15 bis 18jährigen mit Farbe (so wurde z.B. aus dem deutschen Satz an einer Hauswand ‚Deutschland siegt an allen Fronten‘ ein ‚Deutschland liegt an allen Fronten‘). Zugleich wurde durch die Verbreitung eines bestimmten Zeichens die polnische Bevölkerung auf den Widerstand hingewiesen. Die dritte Gruppe schließlich kümmerte sich um Familien, deren Väter z.B. erschossen oder verhaftet waren, sie verteilten Untergrundzeitungen und lernten viel, um Himmlers Befehl zu umgehen.
Und dann kam das Jahr 1944. „Polen hatte immer zwei Feinde,“ so Jerzy Grywacz, „das Dritte Reich und die Sowjetunion“, letztere wollte kein unabhängiges Polen. Die Heimatarmee hatte daher den Plan, beim Rückzug der deutschen Truppen und dem Vormarsch der sowjetischen alle Städte zu befreien, aber die Heimatarmee wurde von den Sowjets eingekesselt und entwaffnet, ihre Anführer nach Sibirien transportiert. So entstand der Plan, einen Aufstand in Warschau zu wagen. Vier Gründe waren hierfür ausschlaggebend:
1. Die Polen besaßen einen großen Hass gegen die Deutschen.
2. Man sah die Chance, Warschau selbst zu befreien.
3. Man wollte aus politischen Gründen Warschau selbst befreien und
4. man wollte seine Unabhängigkeit vom sog. Lubliner Komitee zeigen, einer in Moskau von Stalin gegründeten polnischen kommunistischen Vereinigung.
Der Warschauer Aufstand sollte einen Überraschungsmoment für die Deutschen darstellen: Beginn 17.00 Uhr, wenn viele Leute unterwegs sind. Leider wurden einige Widerständler schon vorzeitig erkannt und die Überraschung blieb aus. „Der Aufstand sollte zwei bis drei Tage dauern, am Ende dauerte er 63 Tage,“ sagt Jerzy Grywacz, und man merkt ihm an, dass die Erinnerungen daran nicht einfach sind. „SS-Regimenter erschossen alle Leute, auch Zivilisten. In den ersten beiden Tagen wurden 20000 Leute erschossen, nach zwei Wochen waren es 50000.“ Die traurige Bilanz: 15000 polnische Soldaten waren tot und 180000 Zivilisten.
Jerzy Grywacz empfand nach dem Krieg zehn Jahre lang Hass gegen die Deutschen und es bereitete ihm viel Arbeit, ein normaler Mann zu sein, wie er auf eine Frage eines Schülers bereitwillig zugibt. Heute kann er dies mit einem deutlichen Nein beantworten. „Ich bin nicht mehr wütend auf die Deutschen, ich arbeite für ein besseres Verständnis zwischen beiden Nationen.“ Große Worte und noch größere Taten in einer Welt, in der der Nationalismus in vielen Staaten wieder die Oberhand zu gewinnen scheint. Herzlichen Dank, Jerzy Grywacz!
Ein weiterer Dank geht an Dr. Beuschel, Geschäftsführer des Kreisverbands Europa-Union Nürnberger Land e.V. und Vorstandsmitglied des Landesverbandes Bayern der Europa-Union, der sich seit Jahren für die europäische Völkerverständigung einsetzt. Er begleitete Prof. Jerzy Grywacz und sorgte für die entsprechenden Kontakte.
Matthias Kausch und Sabine Berger